Wie funktioniert REACH?

ECHA, REACH, CLP, GHS und SVHC sind Begriffe, mit denen wir in der Oberflächentechnik in Theorie und Praxis immer häufiger konfrontiert werden. Worum geht es dabei?

Die unterschiedlichen Begriffe/Behörden

ECHA ist die Europäische Chemikalienagentur mit Sitz in Helsinki, Finnland. Ihre Aufgabe ist die Regelung der technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte bei der Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien auf Basis eines EU weit einheitlichen Verfahrens.

REACH ist jene Verordnung der Europäischen Union (EG Nr. 1907/2006), welche erlassen wurde, um menschliche Gesundheit und Umwelt vor Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, zu verbessern und dadurch zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in der EU zu erhöhen. Das Wort „REACH“ ist eine Abkürzung englischer Begriffe, die für Registrierung (Registration), Bewertung (Evaluation), Zulassung (Authorisation) und Beschränkung (restriction) von Chemikalien (CHemicals) stehen. Die REACH Verordnung

CLP und GHS sind harmonisierte Systeme zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien. Die CLP-Verordnung – Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures, EG Nr. 1272/2008 ist EU-weit gültig. Die GHS-Verordnung (Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals wurde von den Vereinten Nationen am 20.01.2009 beschlossen und gilt weltweit. Weitere Informationen zu CLP finden Sie hier.

SVHC ist die Bezeichnung für „besonders besorgniserregende Stoffe“ (Substances of Very High Concern). Als solche gelten Stoffe, die die Kriterien des Art. 57 der REACH-Verordnung erfüllen. Darunter fallen:

  • Stoffe mit kanzerogenen, mutagenen, reproduktionsschädigenden Eigenschaften (CMR-Kategorie 1 und 2).
  • Stoffe, die nach den Kriterien des Anhang XIII der REACH-Verordnung als persistent, bioakkumulierend und toxisch bewertet werden (PBT-Stoffe).
  • Stoffe, die nach den Kriterien des Anhang XIII der REACH-Verordnung als sehr persistent und sehr bioakkumulierend bewertet werden (vPvB-Stoffe).
  • Stoffe mit gleichermaßen besorgniserregenden Eigenschaften, z.B. mit endokrinen (hormonähnlichen) Eigenschaften oder Stoffe, die nicht PBT/vPvB-Kriterien erfüllen, aber persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind und schwerwiegende und irreversible Wirkungen auf Mensch oder Umwelt zeigen.

SVHC Stoff erkannt

Der erste Schritt im REACH-Registrierungsverfahren besteht darin, die Stoffe zu identifizieren, die schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können, weshalb die sich aus ihrer Verwendung ergebenden Risiken ausreichend beherrscht und die Stoffe selbst nach Möglichkeit schrittweise ersetzt werden müssen. Diese werden als Substances of very high concern (SVHC) Stoffe bezeichnet.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die EU-Kommission, vertreten durch die ECHA, sind aufgrund des Rechtstextes aufgefordert, aktiv SVHC-Stoffe zu identifizieren und entsprechende Vorschläge in Form von Stoffdossiers bei der ECHA einzureichen.

Ein Mitgliedstaat oder, auf Ersuchen der Europäischen Kommission, kann die ECHA einen Stoff zur Identifizierung als SVHC vorschlagen.

Der Vorschlag wird gemäß Anhang XV der REACH-Verordnung erstellt und besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil enthält die Daten und die Begründung für die Identifizierung des Stoffes als SVHC. Der zweite Teil, der in den nachfolgenden Schritten des Identifizierungsprozesses geprüft wird, enthält Angaben zu den Mengen auf dem EU-Markt und zu den Verwendungen des Stoffes, zu der sich ergebenden Freisetzung und Exposition und zu möglichen Alternativen für den Stoff.

Nach der Veröffentlichung des Vorschlages wird eine öffentlichen Konsultation durchgeführt, und es können Kommentare abgegeben und/oder zusätzliche Informationen, beispielsweise zu den Eigenschaften, Verwendungen und Risiken des vorgeschlagenen Stoffes und zu seinen Alternativen, bereitgestellt werden. Wenn keine begründeten Stellungnahmen gegen den Vorschlag vorgebracht werden, wird der Stoff in die Liste der in Frage kommenden Stoffe aufgenommen. Die Vorschläge und die Kommentare werden an den Ausschuss der Mitgliedstaaten (MSC) weitergeleitet, der seine Zustimmung zur Identifizierung des Stoffes als SVHC geben muss.

Erst nach Abschluss dieses Verfahrens wird ein SVHC Stoff in die „Kandidatenliste“ aufgenommen.

Die Kandidatenliste

Die Kandidatenliste umfasst eine Auflistung der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregende Stoffe

Die Aufnahme eines Stoffes in die Kandidatenliste hat für die Unternehmen, die den Stoff als solchen, in Gemischen oder in Erzeugnissen herstellen, importieren oder verwenden, gesetzliche Verpflichtungen zur Folge.

Sollte ein von Ihrem Oberflächentechnik-Unternehmen verwendeter Stoff auf der Kandidatenliste sein, empfehlen wir dringend die Kontaktaufnahme mit dem AOT Büro.

Vorbereitung für Aufnahme auf Anhänge

Die ECHA priorisiert die Stoffe auf der Kandidatenliste, um zu ermitteln, welche Stoffe in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe (Anhang XIV der REACH-Verordnung) oder in das Verzeichnis der beschränkten Stoffe (Anhang XVII der REACH Verordnung) aufgenommen werden sollen.

Priorität haben dabei in der Regel Stoffe

  • mit PBT- oder vPvB-Eigenschaften
  • weit verbreiteter Verwendung
  • großen Mengen.

Es werden jedoch auch die Auswirkungen der geplanten Zulassungsmaßnahme auf Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt berücksichtigt.

Der Empfehlungsentwurf enthält u. a. folgende Informationen:

  • Antragsschluss / „Latest Application Date“, bis zu dem Anträge auf Zulassung bei der ECHA eingegangen sein müssen, wenn der Antragsteller den Stoff nach dem Ablauftermin weiterhin verwenden oder in Verkehr bringen will
  • Ablauftermin / „Sunset Date“, ab dem das Inverkehrbringen und die Verwendung eines Stoffes verboten ist, sofern nicht eine Zulassung erteilt oder die Verwendung von der Zulassungspflicht ausgenommen wurde
  • gegebenenfalls Überprüfungszeiträume für bestimmte Verwendungen
  • gegebenenfalls Verwendungen, die von der Zulassungspflicht ausgenommen sind

Die ECHA verabschiedet regelmäßig Empfehlungen für die Europäische Kommission, die letztendlich über die Aufnahme von Stoffen in die jeweiligen das Verzeichnisse Anhang XIV oder Anhang XVII.

Verfahren Anhang XIV zulassungspflichtige Stoffe

Zulassungspflichtige Stoffe sind nicht verbotene Stoffe

Die von der ECHA für den Anhang XIV -zulassungspflichtige Stoffe- priorisierten Stoffe werden in einem Empfehlungsentwurf in regelmäßigen Intervallen zusammengefasst und auf der ECHA Homepage veröffentlicht.

Anschließend wird eine öffentliche Konsultation durchgeführt, in der Kommentare zum Empfehlungsentwurf können innerhalb von drei Monaten nach dem Veröffentlichungsdatum eingereicht werden.

Danach formuliert der Ausschuss der Mitgliedstaaten (MSC) seine Stellungnahme zum Empfehlungsentwurf der ECHA, bei dem im Zuge der öffentlichen Konsultation eingegangenen Kommentare berücksichtigt werden können.

Die Stellungnahme des Ausschusses und die Kommentare, die im Rahmen der öffentlichen Konsultation eingegangen sind, helfen der ECHA bei der Verabschiedung einer endgültigen Empfehlung an die Europäische Kommission zur Entscheidung über die Stoffe, die in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe aufzunehmen sind.

Wenn neue Stoffe in Anhang XIV aufgenommen werden sollen, wird dies mit einer Verordnung zur Änderung des Anhang XIV im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Diese Verordnung ist verbindlich und gilt unmittelbar in jedem EU_Mitgliedstaat.

Ein Stoff auf Anhang XIV, was nun?

Für Unternehmen ist spätestens jetzt Handlungsbedarf. Ab sofort laufen die Fristen für „Latest Application Date“ und „Sunset Date“

Stoffe im Anhang XIV dürfen nach Ablauf der definierten Übergangsfristen (Sunset Date) nur noch in Verkehr gebracht und verwendet werden, wenn zuvor für diese Stoffe – und für definierte Verwendungen dieser Stoffe – eine entsprechende Zulassung vorliegt. Antragsteller für eine solche Zulassung können Hersteller, Importeur oder nachgeschaltete Anwender sein.

Derartige Anträge auf Zulassung sind an die ECHA zu richten. Da mit einem Antrag auf Zulassung zur Weiterverwendung eines Stoffes diverse umfangreiche Studien eingebracht werden müssen, ist dieses Verfahren sehr aufwendig und kostspielig. Viele Unternehmen sind nachgeschaltete Anwender, da sie den Stoff meist nicht selbst herstellen, sondern für einen eigenen Prozessschritt von einem Händler kaufen. Um nun z.B. Chromtrioxid für bestimmte Anwendungen weiter verwenden zu dürfen, gibt es nur zwei Möglichkeiten:

  • Entweder man bezieht den Stoff von einem Lieferanten, der für die betreffende spezielle Verwendung seitens ECHA eine Zulassung erteilt wurde. Hinweis: nachgeschaltete Anwender müssen in so einem Fall jedenfalls die in der Zulassung des Lieferanten festgelegten und von nachgeschalteten Anwendern inhaltlich kaum beeinflussbaren Bedingungen einhalten sowie der ECHA melden, dass sie einen derartig zugelassenen Stoff verwenden. Dies bedeutet dass der Oberflächenbetrieb Chromtrioxid ausschließlich für die im Zulassungsantrag des Lieferanten genehmigten Verfahren verwenden darf (z.B.: Chromtrioxid für technisches Hartverchromen). Die Verwendung von „Chromtrioxid für technisches Hartverchromen“ ist in der gültigen Zulassung des Lieferanten genehmigt, jedoch ist diese Verwendung trotzdem verpflichtend der ECHA zu melden.
  • Oder nachgeschaltete Anwender beantragen selbst die Zulassung bei der ECHA und stellen damit sicher, dass die Zulassung jedenfalls die von ihnen benötigten Verwendungen unter von ihnen definierten Bedingungen abdeckt. Dies kann aber auch über die Teilnahme an einem Konsortium erfolgen, welches gemeinsame Anträge stellt und sich so die Kosten des Zulassungsantrages teilt.

Jedenfalls dürfen nachgeschaltete Anwender zugelassene Stoffe nur für Verwendungen nutzen, für welche die ECHA eine Zulassung erteilte.

Zulassungs-Konsortium

In Deutschland wurde der Verein VECCO (Verein zur Wahrung von Einsatz und Nutzung von Chromtrioxid und anderen Chemikalien in der Oberflächentechnik e.V.) gegründet, der momentan einen Antrag auf Zulassung für Chromtrioxid in der Oberflächentechnik vorbereitet. Die Kontaktdaten zu VECCO liegen im AOT Büro auf. Eine Teilnahme am Konsortium VECCO ist weiterhin möglich.

Zulassungsentscheidung

Die Zulassungsentscheidung kann sowohl vor als auch nach dem Sunset Date erfolgen, abhängig von der Bearbeitungsdauer der ECHA. Die EU-Kommission entscheidet auf Grund der Stellungnahmen der Ausschüsse für „Risikobeurteilung und sozioökonomische Analyse“ über den Zulassungsantrag. In der Zulassungsentscheidung wird festgehalten, unter welchen Bedingungen und bis zu welchem Zeitpunkt der Stoff weiter verwendet werden darf. In einer erteilten Zulassung wird zusätzlich festgelegt, wann die Zulassung wieder überprüft wird (befristeter Überprüfungszeitraum!)

Weiterverwendung von Stoffen die bereits in Anhang XIV gelistet sind

Erklärende Grafik zum FMMI Zulassungsverfahren 53a

Anhang XVII beschränkte Stoffe

Die Liste der beschränkten Stoffe enthält jene Stoffe (die auf Ihre eigene, in einem Gemisch oder in einem Erzeugnis) für die Herstellung, das Inverkehrbringen oder deren Verwendung beschränkt oder in der Europäischen Union verboten sind.

Diese Liste ist in Anhang XVII der REACH Verordnung enthalten. Jeder Eintrag zeigt den Stoff oder eine Mischung sowie deren Bedingungen für ihre Einschränkung.

Ausnahmeregelungen zur Weiterverwendung dieser Stoffe sind nicht vorgesehen.

REACH Artikel 33 und 7(2)

Meine Produkte enthalten SVHC Stoffe, was nun?

Diese Frage wird in Zukunft viele Hersteller von Produkten betreffen. REACH als europäische Verordnung für Chemikalienrecht betrifft nicht nur Hersteller und Importeure von besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHC-Stoffe), sondern auch nachgeschaltete Anwender. In den vergangenen Jahren sind vor allem Hersteller und Importeure zum Handkuss gekommen.
Es wurden Stoff Registrierungen und Anträge auf Zulassung für die Weiterverwendung von SVHC-Stoffen gestellt. Diese Thematik ist in den betreffenden Branchen bereits bekannt und wird mit viel Arbeitsaufwand umgesetzt.
Ein Teil der REACH-Verordnung die auch Erzeugnisse regelt, wurde bisher außer Acht gelassen. Erzeugnisse sind für Produkthersteller unter Umständen ein Problem. Dies ist der Fall, wenn sogenannte besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent enthalten sind. Die beiden wesentlichen Verpflichtungen sind Art. 33 – Weitergabe von Informationen in der Lieferkette – und Art. 7 (2) – Notifikation an die ECHA. Bei beiden Verpflichtungen wurde lange Zeit gestritten, wofür die 0,1-Grenze genau gilt. Die einen meinten für ein Erzeugnis wie geliefert – also z.B. das gesamte Automobil -, die anderen meinten auch für bestimmte Bestandteile – also z.B. das Lenkrad, die Reifen usw. Letzten Endes entschied der Europäische Gerichtshofs am 10. September 2015 letzteres und schaffte somit eine EU-weit einheitliche Auslegung.
Ausgehend von dieser Entscheidung wurden die Informationen unseres Dachverbandes ORGALIME zur Kommunikation in der Lieferkette aktualisiert. Die erforderlichen Informationen wurden in einem Dokument zusammengefasst, welches die Unternehmen bei der Erfüllung der Kommunikationsverpflichtungen gemäß REACH ART. 33 helfen soll.